Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren

Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren

Kommt es in Unternehmen zu Fehlverhalten oder gar betriebsbezogenen Straftaten,

muss auch aufgrund der strengen Zweiwochenfrist

zur außerordentlichen Kündigung in kürzester Zeit eine interne Untersuchung organsiert werden.

Dabei sind Beweisverwertungsverbote unbedingt im Blick zu behalten,

denn es droht eine Unverwertbarkeit der Ergebnisse der internen Untersuchung im individuellen Kündigungsschutzprozess.

Vor Gericht gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, wonach der gesamte Inhalt der Parteivorträge

sowie die Ergebnisse der Beweisaufnahmen nach freier Überzeugung der Richter zu erfolgen hat.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gibt es keine ausdrücklichen Verbote zur Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel.

Deshalb stellt sich die Frage, wann im Rahmen von internen Untersuchungen gewonnene Beweismittel

(Dokumente, E-Mails, Aussagen oder Geständnisse) gegen den betroffenen Arbeitnehmer vor Gericht verwendet werden können.

Beweiserhebungsverbot gleich Beweisverwertungsverbot?

Wichtig ist, dass ein Beweismittel nicht deshalb schon prozessual unverwertbar ist,

weil es in rechtswidriger Weise erhoben wurde.

Denn allein aus einem Beweiserhebungsverbot folgt nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot.

Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass die durch die Beweiserhebung verletzte Vorschrift

oder das verletzte Recht gerade den Schutz vor einer Informationsgewinnung bezweckt.

Dies betrifft vor allem die grundgesetzlich geschützten Rechte des betroffenen Arbeitnehmers.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Persönlichkeitsrecht,

das Recht am eigenen Bild. Daneben aber auch Schutzvorschriften des deutschen und europäischen Datenschutzrechts.

Ob aus einem Beweiserhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot folgt, ist in jedem Einzelfall

eine Gesamtabwägung einerseits zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der Beweiserhebung

und andererseits den geschützten und durch die Beweiserhebung bereit verletzten Interessen des Arbeitnehmers.

Das Datenschutzrecht ist dabei übrigens keine absolute Grenze, dessen Verletzung stets zu einer Unverwertbarkeit führt,

sondern lediglich einfachgesetzliche Ausprägung der Persönlichkeitsrechte.

Auch bei einem Verstoß gegen Datenschutzrechte ist also

eine Abwägung unter Zugrundelegung des Schutzzwecks der Vorschrift vorzunehmen.

So soll beispielsweise eine Löschfrist nicht vor einer Verwertung der Daten

zum Beweis einer betriebsbezogenen Straftat oder arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung schützen.

Maßnahmen der unternehmensinternen Untersuchung

In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur werden Beweisverwertungsverbote

regelmäßig anhand der klassischen Beispiele wie Spinddurchsuchungen oder verdeckter Videoüberwachung diskutiert.

In internen Compliance Untersuchungen spielen jedoch im Wesentlichen die Sichtung

und (automatisierte) Auswertung von analogen bzw. digitalen Dokumenten (Document-Review)

und der Emailkorrespondenz (E-Mail-Screening) sowie Mitarbeiterinterviews eine Rolle.

Der Arbeitgeber hat im Rahmen einer Document-Review ein uneingeschränktes Recht zur Einsichtnahme

in ''dienstliche'' Dokumente. Auch unter Verwendung spezieller Software

zur Sichtung und Auswertung entsprechender elektronischer Dokumente und Verwendung von Schlüsselworten.

Dies gilt jedoch nicht für private Dateien. Besondere praktische Relevanz erlangt in diesem Zusammenhang

auch das E-Mail-Screening. Also die Sichtung und Auswertung des E-Mail-Verkehrs eines Arbeitnehmers.

Während dies im engen Rahmen der datenschutzrechtlichen Vorgaben zulässig ist,

ist eine systematische und lückenlose Kontrolle (Totalkontrolle) ein unverhältnismäßiger Eingriff

in das Persönlichkeitsrecht, welcher regelmäßig nicht durch Arbeitgeberinteressen gerechtfertigt werden kann.

Vorsicht ist bei einer geduldeten oder erlaubten Privatnutzung des E-Mail Accounts geboten.

Zwar wird die Ansicht, dass dann der Arbeitgeber als Dienstanbieter aufgrund des Fernmeldegeheimnisses

gar kein Einsichtsrecht hat, nach und nach durch eine mildere Ansicht der LAGs abgelöst,

nach der das Fernmeldegeheimnis im Arbeitsverhältnis nicht anwendbar ist.

Dennoch sollte privates von dienstlichen separiert werden

bzw. nur so weit wie zur Separierung nötig private Kommunikation gesichtet werden.

Bislang nicht abschließend bewertet ist wie ein formell nicht ordnungsgemäßes Interview zu verwerten ist.

Während der Arbeitnehmer nach dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§106 GewO) dazu verpflichtet ist,

an entsprechenden Gesprächen teilzunehmen und Aussagen zu tätigen,

ist es bislang noch umstritten, ob sich der Arbeitnehmer selbstbelasten muss.

Da jedoch der sogenannte Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur) nicht im Arbeitsrecht gilt,

spricht mehr für eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage,

sofern die arbeitsvertragliche Tätigkeit des Mitarbeiters betroffen ist.

Konsequenterweise dürfte eine fehlende oder unzureichende Belehrung des Arbeitgebers

über ein Schweigerecht kein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen.

Hier gilt jedoch: Besser Vorsicht als Nachsicht.

Jedenfalls werden Kosten und Mühen gespart, denn eine unterbliebene Belehrung wird im Kündigungsschutzprozess

mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Rolle spielen.

Nicht vergessen werden darf, dass die Protokollierung von Aussagen der Mitarbeiter selbst eine Verarbeitung

von personenbezogenen Daten darstellt über die in Textform

und dokumentiert bereits vor dem Interview gem. Art. 13, 14 DS-GVO informiert werden sollte.

Beteilung des Betriebsrates

Zwar sollte vor der Durchführung einer internen Untersuchung auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats beachten werden.

Eine Verletzung dieser Rechte führt jedoch nach Ansicht des BAG nicht zu einem Beweisverwertungsverbot,

da die entsprechenden Vorschriften die Sicherung von Mitbestimmungs- und Informationsrechten schützen sollen.

Fazit

Um zu verhindern, dass ein Beweismittel vor Gericht unverwertbar ist, lohnt es sich als Arbeitgeber,

auch unabhängig von einer Untersuchung

einen grund- und datenschutzrechtlichen Rahmen für die unternehmensinternen Untersuchungen zu schaffen.

Zwar passt die Untersagung der Privatnutzung nicht unbedingt gut in die moderne agile Arbeitswelt, sie hilft jedoch im Fall der Fälle.

Ist das Kind einmal in den Brunnen gefallen, heißt es schnell handeln

und bei der Organisation der internen Untersuchung bereits von Anfang an die prozessuale Verwertbarkeit zu denken.

Quelle

KLIEMT.blog

Datum der Aktualisierung

30.03.2024

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